Jeder kennt das wohlige Gefühl, von einer geliebten Person in den Arm genommen zu werden. Sei es, weil man Beistand braucht oder im Alltag einfach seine Zuneigung zeigen möchte. Körperkontakt ist für jeden Menschen wichtig. Welche große Rolle Berührung in unserem Leben spielt, haben Studien vor allem während und nach der Corona-Pandemie gezeigt. Wir verraten dir, was passiert, wenn ein körperlicher Kontakt fehlt.
Lesetipp: Auf Sex verzichten: 8 körperliche Auswirkungen, wenn du enthaltsam lebst.
Fehlender Körperkontakt löst psychische Belastung aus
Laut einer Studie der Universität Graz ist der sogenannte „skin hunger“, zu Deutsch „Hunger nach Haut“, ein neuzeitliches Phänomen. Schon vor den Abstandsregeln der Pandemie konnte es beobachtet werden. Grund dafür: mehr Menschen, die allein leben, und die Digitalisierung von Aktivitäten wie Einkaufen.
Durch die Abstandsregeln in den Jahren 2020 und 2021 fiel jedoch laut den Wissenschaftlerinnen der Studie für viele Menschen die komplette Fremdberührung weg. So fehlten hier nicht nur sexueller oder partnerschaftlicher Körperkontakt, sondern auch zufällige Berührungen wie bei der Arbeit oder den öffentlichen Verkehrsmitteln. „Das Fehlen menschlicher Nähe hinterlässt tiefe seelische Furchen“, betont Martin Grundwald, Psychologie-Professor und Leiter des Haptiklabors der Universität Leipzig.
Wer über einen längeren Zeitraum einen Berührungsmangel erlebt, der hat vermutlich eine kürzere Lebenserwartung und gleichzeitig ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Darauf lassen Studien mit Tieren schließen, sogenannte Kaspar-Hauser-Versuche, bei denen Tiere einzeln ohne Kontakt zu Artgenossen gehalten werden. Ursprünglich wollte man untersuchen, welche Verhaltensweisen angeboren und welche von älteren Tieren abgeschaut werden. Dabei konnten die Wissenschaftler beobachten, dass vermehrt Tiere an einer Entwicklungsstörung litten. Bei Menschen kann man sich ähnliche Folgen vorstellen.
Typische „Symptome“ von Berührungsmangel sind:
- Schlafprobleme
- Antriebslosigkeit
- Einsamkeit (auch wenn du nicht allein bist)
- vermehrte (sexuelle) Fantasien
- Angespanntheit
Diese Symptome können auf verschiedene psychische Erkrankungen hinweisen. Am besten sprichst du mit deinem Hausarzt darüber oder vereinbarst direkt ein Erstgespräch bei einer Psychologin.
Lesetipp: 7 Signale, dass du Opfer einer „kalten Kindheit“ warst.
Warum brauchen wir Berührungen?
Doch wieso schlägt es uns auf die Psyche, wenn wir keinen Körperkontakt zu anderen Menschen haben? Dies lässt sich laut Studienleiterin Anna Marie König nur durch den Fakt erklären, dass wir nicht nur mit den Sinnen Hören und Sehen, sondern eben auch dem Fühlen, Dinge wahrnehmen. Grundwald erklärt: „Jede Berührung löst biochemische Prozesse aus, die unser neuronales und biochemisches Wachstum anregen.“ Das ist vor allem in den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes wichtig. Aber auch Erwachsene brauchen Berührungen, um sich beispielsweise zu entspannen.
„Natürlich können wir auch entspannende Musik hören, einen Film angucken oder spazieren gehen. Aber Angstzustände, Betrübnis, leichte bis mittelgradige Depressionen – solche seelischen Zustände können eben vor allem durch einfache und auch durch kurzzeitige Körperberührungen, insbesondere von vertrauten Personen, ganz schnell verändert und verbessert werden“, erklärt Grundwald den Prozess näher.
Lesetipp: Körpersprache: Diese 10 Gesten bedeuten nichts Gutes.
Was kann ich gegen „skin hunger“ tun?
Es gibt natürlich Situationen, die einen davon abhalten, Körperkontakt zuzulassen, wie beispielsweise eine Krankheit oder fehlende soziale Kontakte. Davon abgesehen kannst du deine Familie oder Freunde einfach mal fragen, ob sie dich in den Arm nehmen können. Es gibt auch Dienstleistende, die man zum Kuscheln engagieren kann. Was auf den ersten Blick wie Sexarbeit klingt, ist laut Grundwald für einsame Menschen durchaus eine Möglichkeit, ihren „skin hunger“ zu stillen. „Viele machen den Kurzschluss, Berührungen zwischen zwei Menschen, egal welchen Geschlechts, seien immer sexuell. Es ist aber nicht richtig, jeder Berührung eine sexuelle Intention zuzusprechen“.
Körperkontakt ist also nicht nur für Säuglinge wichtig, sondern sorgt dafür, dass auch Erwachsene ein erfülltes Leben führen können.
Quellen: unipub.uni-graz, quiio
Vorschaubilder: ©ArtBackground – stock.adobe.com
©Lumeez/peopleimages.com – stock.adobe.com
Du fühlst dich einsam oder hast andere Sorgen, dann kannst du dich jederzeit an die kostenlose Telefonseelsorge (unter 0800 1110111 oder 0800 1110222) wenden. Diese spricht anonym mit dir und kann dir helfen, weitere Hilfe zu finden.