Kindern Aufmerksamkeit schenken und gemeinsam Spaß haben – das gilt vielen als Ideal einer einfühlsamen Erziehung. Doch Pädagogen warnen: Es gibt gute Gründe, weshalb Eltern ihre Kinder öfter allein spielen lassen sollten. Gerät das Konzept der modernen Erziehung ins Wanken?
Hört man sich in gewissen Elternkreisen um, so scheint das Ideal der heutigen Erziehung zu sein: eine möglichst enge Bindung zum Kind aufbauen und ihm alle Aufmerksamkeit der Welt schenken. Nur auf diese Weise erhalte das Kind ein stabiles Selbstbewusstsein, um sich frei entfalten zu können. So die These.
Doch immer mehr Pädagogen sehen das skeptisch. Diese Selbstaufopferung der Eltern könne für das Kind sogar schädlich sein. Vielmehr sollten Eltern Kinder häufiger dazu bringen, auch einmal allein zu spielen.
Gründe, weshalb Kinder öfter allein spielen sollten
„Kinder brauchen das gemeinsame Spiel mit Mama und Papa für ihre Entwicklung. Aber Eltern sind keine Animateure, und kein Kind muss pausenlos bespaßt werden. Kinder können und sollten auch allein spielen“, erklärt Pädagogik-Professorin Dorothee Gutknecht.
Das sind die Gründe:
- Wird die Bespaßung zur Pflichtaufgabe, droht das Wichtigste abhandenzukommen: die Freude am Zusammensein mit dem Kind.
- Allein zu spielen, stärkt die Selbständigkeit des Kindes. Kinder, die schon früh gelernt haben, sich selbst zu beschäftigen, haben es später in der Schule leichter, sich zu konzentrieren oder allein Hausaufgaben zu machen.
- Die Erfahrung, aus eigenem Antrieb zu handeln und Entscheidungen zu treffen, schafft dauerhaftes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
- Selbstbeschäftigung fördert die Kreativität und die Fantasie von Kindern. Sie lernen sich selbst besser kennen und haben Spaß daran, eigene Ideen umzusetzen.
- Wenn Kinder allein spielen, sind sie zudem eher in der Lage, ihre eigenen Emotionen zu verstehen und ihre Bedürfnisse zu regulieren.
Insgesamt kann die Zeit der Selbstbeschäftigung also dazu beitragen, dass Kinder selbstbewusster und selbständiger werden. Gleichzeitig ist jedoch wichtig, dass Eltern weiterhin für ihre Kinder da sind, wenn sie gebraucht werden – auch, um sich über die Ideen und Erfolge des selbständigen Spiels auszutauschen.
Tipps, wie man Kinder dazu bringt, allein zu spielen
Schon Babys können sich gut ein paar Minuten selbst beschäftigen. Mit der Zeit können Kinder immer länger ohne Mama oder Papa spielen – wenn man es richtig angeht. Dorothee Gutknecht stellt fest:
„Das Interessante ist: Solange die Erwachsenen beschäftigt sind und etwas tun, beispielsweise bügeln oder kochen, beschäftigt sich meist auch das Kind. Sobald Mama oder Papa sitzen, kommt das Kind angerannt. Für die Kleinen ist das ihr Signal: Jetzt hast du Zeit für mich!“
Mit ein paar Tricks können Eltern das selbständige Spiel ihres Kindes fördern:
- Sag, wenn du keine Zeit hast oder eine Pause brauchst. Gib deinem Kind aber konkrete Hinweise, wann es mit dir rechnen kann: „wenn die Kaffeetasse leer ist“ oder „sobald die Waschmaschine läuft“.
- Lass dein Kind in deiner Nähe spielen – sei es in der Küche oder im Wäschezimmer. Allein spielen heißt nicht, dass das Kind allein im Raum sein muss.
- Vermeide Reizüberflutung. Kinder lassen sich von Hintergrundmusik oder einem laufenden Fernseher viel leichter ablenken als Erwachsene.
- Ist das Kind in sein Spiel versunken, solltest du es nicht unterbrechen.
- Zeige deinem Kind, was dir Spaß macht – sei es Gartenarbeit oder Basteln. Sieht das Kind, dass Selbstbeschäftigung Freude macht, wird es neugierig darauf, ebenfalls eigenen Interessen nachzugehen.
Allein spielen tut gut. Denn eine aufmerksame und einfühlsame Erziehung bedeutet nicht, dass Eltern zu Bespaßungsapparaten mutieren müssen. So lässt sich nicht nur der Haushalt entspannter erledigen, auch das Kind profitiert von seiner Selbständigkeit.
Quellen: gofeminin, apotheken-umschau
Vorschaubilder: ©IMAGO / photothek ©flickr/Stuart ©flickr/Quinn Dombrowski