Erst geliebt und dann verstoßen: Der Hype um die als besonders gesund geltende Avocado erlebt in letzter Zeit heftigen Gegenwind. Was viele Experten gegen die lateinamerikanische „Butterfrucht“ vorbringen – und weshalb die Kritik dennoch etwas verlogen ist –, zeigt dir dieser Artikel.
Sind Avocados wirklich so gesund?
Zunächst einmal muss geklärt werden, wie es überhaupt zu dem rasanten Avocado-Boom kam. Immerhin hat sich der Verzehr von Avocados in den letzten 10 Jahren allein in Deutschland verfünffacht.
Dazu hat sicherlich beigetragen, dass eine aufgeschnittene Avocado recht fotogen ist. Kaum ein anderes Nahrungsmittel wird bei Instagram häufiger gepostet. Doch die Avocado besitzt auch wirkliche „Superkräfte“: Mit ihrem hohen Fettanteil ist sie zwar eine Kalorienbombe, doch enthält sie vor allem gesunde, ungesättigte Fettsäuren. Als Eiweißlieferant kann sie im Zuge einer Low-Carb-Ernährung sogar den Stoffwechsel ankurbeln und das Abnehmen erleichtern. Hinzu kommen zahlreiche Vitamine, essenzielle Aminosäuren und Mineralien.
Bei aller Skepsis, ob man sich allein über einzelne Nahrungsmittel „gesundessen“ kann – ohne seinen gesamten Lebens- und Ernährungsstil anzupassen –, hat die Avocado also durchaus ihren Platz auf dem Treppchen der beliebtesten Superfoods verdient.
Die Kritiker der Avocado kommen allerdings nicht aus dem Feld der Ernährungswissenschaftler. Es sind vor allem ökologische und ethische Bedenken, die die Avocado in den Augen einiger zum Superschurken machen:
1.) Großplantagen
Um die gestiegene Nachfrage nach Avocados bedienen zu können, müssen Anbauflächen geschaffen werden. Speziell in Mexiko – dem mit Abstand größten Avocado-Exporteur – beklagen Umweltorganisationen die teils illegale Rodung von Wäldern. Nicht nur der Lebensraum von größeren Tieren geht dadurch verloren, auch zahlreiche Insekten fallen der Monokultur zum Opfer. Düngemittel gelangen ins Grundwasser und verseuchen das Trinkwasser.
2.) Wasserverbrauch
Avocados gelten als besonders durstige Pflanzen. Rund 1.000 Liter Wasser werden für 1 Kilogramm Avocados benötigt. Im Vergleich mit 1 Kilogramm Kartoffeln ist das die achtfache Menge an Wasser! Besonders in den heißen, trockenen Anbaugebieten wird das zu einem ernsten Problem: Der Grundwasserspiegel sinkt und die umliegende Gegend wird regelrecht zur Wüste.
3.) Rückstände
An sich kann beim Avocadoanbau auf Pestizide verzichtet werden. Die Avocado schützt sich selbst. Schlechte Filteranlagen bei der Bewässerung führen jedoch zuweilen zu Schadstoffrückständen in der Frucht.
4.) CO2-Bilanz
Eigentlich ist die Avocado eine Frucht aus den feuchtwarmen Tropenwäldern Lateinamerikas. Bis sie zu uns nach Deutschland kommt, muss sie also sehr lange Transportwege zurücklegen – in der Regel auf schweren Kühlschiffen, die Unmengen an CO2 in die Luft schleudern.
5.) Avocado-Mafia
Experten zufolge wird der lukrative Avocado-Markt im größten Exportland Mexiko von kriminellen Banden kontrolliert. Bauern werden erpresst, ganze Kleinstädte terrorisiert. Der irische Sternekoch JP MacMahon bezeichnet Avocados daher schon als die „Blutdiamanten Mexikos“.
Das große ABER: Warum das Avocado-Bashing relativiert werden muss
Ist die Avocado also ein Teufel in Grün? Tragen all die gesundheitsbewussten Guacamole-Fans hierzulande dazu bei, dass Gesundheit und Umwelt anderswo leiden müssen? Nicht ganz. Vor allem was die Vorwürfe in Bezug auf Wasserverbrauch und CO2-Bilanz angeht, ist das Avocado-Bashing bei genauem Blick sogar verlogen:
- So hängen die am häufigsten herangezogenen Vergleiche beim Wasserverbrauch schief. Denn eine Avocado ersetzt ja in der Regel nicht den Konsum von heimischem Gemüse. Vergleicht man sie mit anderen Eiweiß- und Fettlieferanten, ändert sich das Bild: Während man für 1 Kilogramm Avocado 1.000 Liter Wasser braucht, sind es bei Eiern 3.300 Liter/Kilo, bei Butter 5.000 Liter/Kilo und bei Rindfleisch sogar 15.500 Liter/Kilo.
- Für die Vergleichswerte bei der CO2-Bilanz wird ebenfalls das falsche Maß genommen: Nicht nur, dass andere Südfrüchte wie Bananen, Ananas & Co. genauso aus fernen Ländern kommen und sogar Äpfel in großen Mengen aus Neuseeland importiert werden. Auch bei den CO2-Emissionen schneidet die Avocado weniger schlecht ab, wenn man sie mit Eiern (viermal so viel CO2), Fleisch (sechzehnmal so viel CO2) oder Butter (zwanzigmal so viel CO2) vergleicht.
- Außerdem kommen Avocados immer häufiger aus verhältnismäßig „nahen“ Regionen wie Spanien oder Israel. Mexikanische Avocados gehen fast ausschließlich in die USA oder nach Asien. Jeder Käufer kann sehen, woher die Avocados im Laden stammen, und somit einen Beitrag gegen lange Transportwege leisten, indem er die Ware nimmt oder ablehnt.
- Hinsichtlich der Umweltschäden beim Anbau kann man ebenfalls an die Verantwortung der Käufer appellieren: Bei Bio-Produkten werden hohe Standards in puncto Wasserverbrauch und Nachhaltigkeit eingehalten. Und der Markt zieht nach: In Afrika ist Kenia, wo großflächig auf Bio-Landwirtschaft gesetzt wird, bereits zum wichtigsten Avocado-Exporteur aufgestiegen.
- Last but not least: Was schädliche Rückstände in den Avocados angeht, sind sie allgemein geringer als in anderen Obst- und Gemüsesorten.
Fazit: Natürlich sind heimisches Obst und Gemüse aus ökologischen Gesichtspunkten immer die bessere Wahl. Wer für die Avocado jedoch den Verzehr tierischer Produkte wie Eier, Butter und Fleisch einschränkt, der sollte sich nicht unnötig ein schlechtes Gewissen einreden lassen. Greift man zudem auf Bio-Qualität und Produkte aus nicht allzu fernen Ländern zurück, ist man gleich doppelt auf der sicheren Seite. Guten Appetit!
Dass auch die Kritik am verteufelten Palmöl auf schwankenden Beinen steht, macht dieser Beitrag deutlich.
Quelle: utopia
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